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software engineer &        architecture

 
 
 
 

Werdegang

Statt hier eine klassische Lebenslauf mit meinen formalen Qualifikationen aufzulisten, möchte ich versuchen, darzustellen, auf welchen Wegen sich mein Selbstverständnis meines Berufes  und sicherlich auch Berufung gebildet hat. 

Oberflächlich betrachtet haben meine Interessen im Laufe meines Lebens viele Abzweigungen genommen. Doch glaube ich, dass wesentlichen Leitlinien, Methoden und Interessen mich unabhängig von Medium, Branche, Beruf und Berufung verfolgen.
Als Kind war ich ein großer Lego- und Modellbauer, wobei vorgefertigte Baupläne weniger von Interesse waren, als der Umgang mit den Möglichkeiten und Grenzen, die in die einzelnen Plastikbausteine und die Materialien in der Werkstatt meines Vaters verborgen waren.
In der Jugend habe ich Instrumente gebaut, habe mich dann mehrere Jahre in der gestaltenden Kunst - hauptsächlich Plastiken und Readymades - versucht. Ich habe Stühle entworfen und zusammen mit einer Textildesignerin gebaut. Ich habe in meinem Architekturstudium gelernt, dass Gestaltung nicht nur ein binnenästhetische Herausforderung ist, sondern nur Sinn in einem Nutzzusammenhang hat. Das Gebäude hat ein Zweck, ein direkten, den der Bauherr formuliert, aber auch einen indirekten, die das Leben im Gebäude und der Stadt beeinflussen. Viele Schlüsselbauten der Architekturgeschichte, sind genau deshalb bedeutsam, da sie eine neue Art des privaten als auch sozialen Lebens aufgezeigt haben.
 
Ich habe mich als Amateur viel mit Partituren von geliebten Kompositionen beschäftigt, da ich herausfinden wollte, wie und warum sie solch einen durchschlagenden Effekt haben. Wie ist es möglich mit fast nur Syntax eine so starke und für mich als Hörer doch so eindeutige Semantik zu entwickeln?
 
Mir war schon damals klar, dass es Mechanismen oder Prinzipien gibt, die einerseits gattungsübergreifend ein Werk langweilig oder spannend macht. Mir war auch klar, dass es aber harte Gattungsgrenzen gibt. Nur welche? So habe ich 3 Jahre Philosophie studiert (Dank an die Uni Kassel, die mir die Freiheiten gab, das zu tun) um herauszufinden wo sich Architektur und Musik berühren, sich aber auch scheiden.
Schon damals war für mich klar, dass egal ob Architektur, Musik oder andere Künste sich auf nichtlineare Probleme beziehen, aus (um einen altmodischen Begriff zu verwenden) dialektischen Spannungsverhältnissen.
Das sind einfache Beziehungen, wie
- Innen und Außen.
- Detail und Ganzes
- Funktion und Form
- Material und Gestalt
- Semantik und Grammatik
- Sprache (und auch Medium) und Inhalt
- usw. usf.
 
Zu der Zeit, in dem ich mein Diplom - das den Begriff der Setzung in der Ästhetischen Theorie von Kant, Hegel, Husserl und Lukacs (und am Rande einiger Postmoderner und Dekonstruktivisten, die mich damals geärgert haben) im Kontext von Musik und Architektur zum Thema hatte - entschied ich mich zur Entspannung mich noch mit etwas anderem zu beschäftigen; was zwar eine gewisse intellektuelle Herausforderung darstellt, aber im Grunde komplett irrelevant ist. Per Zufall entdeckte ich das Programmieren. Das ultimative Glassperlenspiel.
 
Die folgenden Jahre im Kurzdurchlauf. Mit meinem Dilettieren mit den formalen Sprachen war erstaunlich erfolgreich und wichtiger noch war die Reaktion der Außenwelt. Ein Philosoph braucht die Welt nicht, und obwohl ich als Haus-Architekt sicherlich eine gute Figur gemacht hätte, war (und ist wahrscheinlich auch noch) der berufliche Konkurrenzdruck sehr hoch. Die Perspektiven, tatsächlich gestalterisch in dem Beruf tätig sein zu können - und nicht in Klein-Klein des mittleren Management, was den Beruf doch 80% ausmacht, unterzugehen -  sah ich für gering an. Auch hatte ich damals das Gefühl, dass mir eine gewisse Skrupellosigkeit für die Ausübung des Berufes fehlt.
 
Dagegen war das Feedback für meine digitalen Werke erstaunlich positiv. Nach kurzer Zeit konnte ich in 4 Kontinente Verlage finden, die für mich die Redistribution übernahmen, und ja ich bekam sogar Fanpost. Dann kam noch ein großer amerikanischer Softwarekonzern und bot viel Geld für Lizenz und Weiterentwicklung an.
Im Nachhinein hatte das eine leicht ironische Pointe: Ich wollte mich in der Architektur nicht korrumpieren lassen, nur um mich dann in der digitalen Welt durch Rum und Geld korrumpieren zu lassen. Gut damals handelte es sich quasi um digitalen Möbelbau, so dass zumindest der Schaden, den ich überhaupt in der Lage war anrichten, überschaubar war.
 
Ich dachte damals, dass ich das nur wenige Jahre mache, bevor ich mich wieder einem anderen Medium zuwende, jedoch bin in verschiedensten Rollen - als Unternehmer, Geschäftsführer, Freelancer, Berater, Projektleiter, Entwicklungsleiter, Softwarearchitekt, Graue Eminenz und last, but not least als Entwickler - doch dem Medium treu geblieben.
 
Dennoch würde ich mich auch heute noch als Architekt bezeichnen, und das nicht wegen dem erworbenen Diplom, oder dass ich teilweise sogar den Rollentitel trage.
 
Softwaresysteme unterscheiden sich nicht in ihrem Inneren Strukturen nicht wirklich von einem Architekturentwurf oder einer Komposition. Die gleichen dialektischen Spannungsverhältnisse müssen einem Entwurf zu einer konkreten Ausprägung gebracht werden. Es gibt z.B. ein Innen und Außen. Viele Softwareparadigmen liefern eine Lösung für dieses Spannungsverhältnis. Objektorientierung ist das klassische Beispiel, aber auch funktionelle Sprachen, Architekturen, wie SOA, Microservices, etc. Sie liefern Standardbaupläne für die Konkretisierung eines oder mehrerer Spannungsverhältnisse, ersetzen aber nicht den architektonischen Entwurf. In der klassischen Architektur ist ja der Backsteinbau, das Fachwerk, die Glasfade an einem Stahlgerippe ja auch keine Lösung, sondern Materialen und Werkzeuge und an sich genommen erst mal neutral. Wer sie als Lösungen missversteht, hat vergessen (aus welchen Gründen auch immer), das eine Lösung immer nur Sinn in Bezug eines Problems hat. Wie in der Architektur beweist der Entwurf sich aus einer fast unüberschaubaren Menge an Herausforderungen, einige in der Sprache, einige im Entstehungsprozess, viele in der Verwendung durch die Benutzer und Geschäftsprozessen. Die richtige Balance, der Herausforderungen und Probleme zu finden, mit den richtigen Gestaltungsansätzen (möglichst wenigen) ist dann auch die Kunst für einen guten Softwareentwurf.
Und wenn man das nicht gut macht, stirbt die Software; und ich habe es sogar in freier Wildbahn sehr oft gesehen, schon vor oder am Tag der Geburt (Going Life), als würde ein Gebäude einstürzen, nicht bewohnbar sein, oder auf sonstige Weise eklatant an ihrem Gesamtzweck scheitern.
 
Ein weiterer Aspekt, warum ich mich noch als Architekt verstehe, ist die Gesamtverantwortung, die ich schwer von mir abweisen kann. Für den Kunden, seine Nutzer, der eigenen Firma (strategisch wie auch finanziell), den Mitarbeitern und teilweise auch gesamtgesellschaftlich. Hier wird man nicht in allen Dimensionen ein Optimum erreichen. In großen Projekten, die ich in den letzten 15 Jahren gemacht habe, die selbst Milliarden an Euros erzeugen, ist es klar, dass man immer nur ein Rädchen innerhalb der Maschinerie ist. Andererseits hat man jedoch auch erstaunliche Einwirkungsmöglichkeiten, wenn man sich als unabhängige Person versteht.

 
Last modified 2017-10-15 13:26 by rkommer By Artefaktur, Ing. Bureau Kommer